Dienst zur Heiligung in der Schule des hl. Pfarrers von Ars

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(Übersetzung des französischen Originalartikels von P. Jérôme Bücker FSSP)


Beichtstuhl und Altar


Die geschuldeten Anbetung und Verherrlichung Gottes bilden zusammen die primäre Aufgabe des Priesters in der Heiligung der Seelen, dem munus sanctificandi – die Aufgabe, auf die sich alle anderen priesterlichen Tätigkeiten zurückführen lassen.
Der Priester hat als alter Christus die Aufgabe, an der Heiligung der ihm anvertrauten Seelen mitzuarbeiten.
Es war die Sehnsucht nach der Heiligung der Seelen, die den heiligen Pfarrer von Ars in besonderer Weise angezogen hat: „Als ich jung war, dachte ich: ‚Wenn ich Priester wäre, würde ich viele Seelen für den lieben Gott gewinnen wollen’.” Und als der Heilige in einem Moment der Entmutigung beschloss, seine Studien aufzugeben, genügte es, dass Pfarrer Balley, sein Freund und Förderer, ihm sagte: „Nun, dann sag Deinen Plänen lebe wohl, Johannes-Maria. Lebe wohl, Priestertum – lebt wohl, ihr Seelen.” Das genügte, um Johannes-Maria von seinen Anfechtungen abzubringen.
Wie kann der der Priester die Aufgabe der Seelenheiligung konkret erfüllen? In erster Hinsicht durch die Spendung der heiligen Sakramente, jenem Mittel, durch das in den Seelen die göttliche Gnade auf vornehmliche Weise vermehrt wird. Der Priester, der sich um eine würdige, heilige und von Glauben erfüllte Sakramentenspendung müht, wirkt auch an seiner eigenen Heiligung mit.
Der hl. Pfarrer von Ars, den Papst Benedikt XVI. jedem Priester als Vorbild empfiehlt, mahnte die Gläubigen besonders zu häufigem Empfang der Sakramente. „Nicht alle, die sie empfangen, sind Heilige. Aber die Heiligen werden immer unter denen gefunden, die sie häufig empfangen.”
Unter den Sakramenten nehmen das Bußsakrament und die heilige Eucharistie einen besonderen Platz ein: „Je mehr wir die Sakramente der Buße und der Eucharistie nutzen, desto leichter und liebenswürdiger wird das Joch des Herrn. Durch diese Sakramente erhebt sich unsere Seele wie von selbst zu Gott, wie in einem heilbringenden Bad gereinigt”

Das Sakrament der Buße

Alle, die das Leben des heiligen Pfarrers kennen, wissen welch einen wichtigen Platz das Bußsakrament im Apostolat des Heiligen einnahm: In seiner Ankündigung des Priesterjahres schreibt Papst Benedikt XVI.: „Vom hl. Pfarrer von Ars können wir Priester nicht nur ein unerschöpfliches Vertrauen in das Bußsakrament lernen, das uns drängt, es wieder ins Zentrum unserer pastoralen Sorge zu setzen, sondern auch die Methode des ‚Dialogs des Heils‛, der sich darin vollziehen muss.” [1]
Der hl. Pfarrer von Ars hörte täglich bis um 18 Uhr Beichte und ging um ein Uhr morgens in den Beichtstuhl, wenn nicht der Pilgerstrom den Heiligen dazu nötigte, schon vor Mitternacht zu beginnen. Nachdem Johannes-Maria so viele Beichten gehört hatte, sagt er einmal: „Wenn ich nicht Priester wäre, hätte ich niemals erfahren, was die Sünde ist.” Weil er so sehr um die Hässlichkeit der Sünde wusste, weil er wusste, wie sehr die Sünde Gott beleidigt und wie sehr sie demjenigen, der sie begeht, schadet, war Johannes-Maria immer bereit, den vielen Seelen, die zum ihm kamen, die Barmherzigkeit Gottes im Beichtstuhl mitzuteilen. „Warum kann man für die Wohltaten des Bußsakraments unempfänglich sein? Weil man die Wohltaten der göttlichen Barmherzigkeit überhaupt nicht sucht, die in diesem Sakrament so grenzenlos zu finden sind.” Wie bereits angedeutet, wurzelte die Anziehungskraft, die der Beichtstuhl auf den Heiligen ausübte, in seiner Sehnsucht nach der Bekehrung der Sünder. Frau von Garets bemerkte, dass er wegen der Tränen, die er dabei vergoss, am Abend nur schwer das Gebet verrichten konnte, das die Zeile enthielt: „Mein Gott, der Du nicht den Tod des Sünders willst…”
Aus diesem Grund muss sich der Priester in seinem Dienst darum mühen, einen geschärften Blick für die Sünde und ihre Folgen zu entwickeln: „Wenn wir den Glauben hätten, und eine Seele im Zustand der Todsünde sähen”, sagte Johannes-Maria, „dann würden wir vor Schrecken umkommen. Eine Seele im Zustand der Gnade ist wie eine weiße Taube. Im Zustand der Todsünde ist die wie ein krankender Körper, ein Stück Aas.”
Zusätzlich zu den körperlichen Leiden, die der hl. Pfarrer von Ars während der langen Stunden im Beichtstuhl erdulden musste – er musste sich desöfteren übergeben und litt unter Kälte im Winter und Hitze im Sommer –, war das Beichthören für die Seele des Heiligen auch eine harte geistige Strafe: „Nein”, sagte er einmal, „es gibt niemand Unglücklicheres auf der Welt, als einen Priester! Womit muss er sich zeitlebens befassen? Zu sehen, dass Gott beleidigt wird. Der Priester sieht nur das. Es ist wie mit Petrus im Gerichtssaal: Er hat immer den beleidigten, verachteten und geschmähten Herrn vor Augen… Oh, wenn ich gewusst hätte, was es heißt, Priester zu sein, dann hätte ich mich in ein Trappistenkloster geflüchtet, anstatt ins Seminar zu gehen.”
Dennoch war der Beichtstuhl der Ort, wo zu Lebzeiten des Heiligen tausende von Menschen mit Gott versöhnt wurden. Viele verließen den Beichtstuhl mit Tränen in den Augen, die Seele komplett verwandelt. „Mein Freund”, sagte der heilige Pfarrer einmal, „erst am Jüngsten Tag wird offenbar werden, wie viele Seelen an diesem Ort das Heil gefunden haben.”
Die unzähligen Stunden, die der Heilige im Beichtstuhl verbrachte, sind ein Lehrbeispiel für die Priester der ganzen Welt. An diesem zurückgezogenen Ort verbrachte er den Großteil seiner Tage. Papst Benedikt XVI. rief in Erinnerung: „Die Priester dürfen sich niemals damit abfinden, dass ihre Beichtstühle leer sind, noch dürfen sie sich darauf beschränken, die Abneigung der Gläubigen gegen diese wunderbare Quelle der inneren Ruhe und des Friedens festzustellen.” [2] Auch in diesem Punkt ist der Heilige ein Vorbild für jeden Priester: Wenn einmal der Strom der Menschen, die nach Ars kamen, abnahm, dann „betete der Heilige Novenen, damit die Scharen zurückkehrten.” Der Priester muss also dafür beten, dass die Seelen vor das Bußgericht treten, wo sie die Vergebung Gottes erwartet.
„Ich weiß, dass wir schwach sind, dass wir in die Sünde fallen können”
, sagte der Heilige. „Trotzdem ist es unsere Schuld, denn der liebe Gott verwehrt uns seine Gnade nicht. Aber in der Sünde zu verharren, wo man doch alle Mittel hat, um sich von ihr befreien zu können – das konnte ich nie verstehen.”
Wie der Heilige Vater in seinem Brief zur Eröffnung des Priesterjahres in Erinnerung gerufen hat, verhielt sich der hl. Pfarrer von Ars unterschiedlich den Seelen gegenüber, die zu ihm zum Beichten kamen. Er fasste sich jedoch immer sehr kurz. Für alle Seelen hatte er aber stets großes Mitleid. Einem vor ihm knienden Sünder, der ihn fragte, warum er weine, antwortete Johannes-Maria: „Mein Freund, ich weine, weil Ihr nicht genug weint.” Ein Priester bemerkte während des Seligsprechungsprozesses, dass bekehrte Sünder ihm gegenüber zugegeben hätten, dass es sie besonders beeindruckt hatte, den Heiligen über die von ihnen begangene Sünden weinen gesehen zu haben.
Zu allen predigte der heilige Pfarrer unablässig über die unendliche Barmherzigkeit Gottes: „Die Beichte ist das Sakrament, wo Gott seine Gerechtigkeit zu vergessen scheint, um nur sein Erbarmen zu zeigen. Seine größte Freude ist es, uns zu verzeihen. Machen wir also dem Vater diese Freude: Kehren wir um zu Ihm, und wir werden glücklich!”
Er beharrte besonders auf die Wahrheit, dass sakramental vergebene Sünden ein für alle mal getilgt sind: „Ihr habt heute Nacht meine Kerze gesehen. Heute früh hat sie zu brennen aufgehört. Wo ist sie? Es gibt sie nicht mehr, sie hat aufgehört zu existieren. Genauso, wie eure Sünden, wenn ihr die Absolution empfangen habt, nicht mehr existieren.”
Um den Sündern schließlich noch mehr Vertrauen zu geben, eine offenherzige Beichte abzulegen, zögerte der Heilige nicht, unter Aufbietung aller Tränen zu sagen: „Ich habe mich viel mehr schuldig gemacht, als ihr! Zögert also nicht, euch anzuklagen!”
Er liebte es, den Satz zu wiederholen, der die Richtschnur eines jeden Priesters sein sollte: „Man muss Mitleid mit dem Sünder haben, keine Bitterkeit.”

Die Heilige Messe

Die Heiligung der Seelen durch den Priester schließt selbstverständlich die Zelebration der hl. Messe ein – und zwar die tägliche Zelebration, wie sie der Heilige Vater den Priestern nahelegt. Hierin ist der hl. Pfarrer von Ars einmal mehr ein priesterliches Vorbild: Nach seiner Krankheit im Jahre 1843 – er konnte sich kaum aufrecht halten – schleppte er sich mit größter Mühe in die Kirche, um dort in aller Frühe um drei Uhr nachts die hl. Messe zu zelebrieren, weil er auf Grund seiner Schwäche nicht bis zum Vormittag ohne etwas zu essen auskommen konnte. Er gab zu, dass er einmal während der Messe darum gebeten hatte, den Willen Gottes zu erkennen, und dass er ihn in einem Licht erkennen durfte.
Der heilige Johannes-Maria sagte einmal: „Ich wollte kein Pfarrer sein, aber ich bin sehr glücklich Priester zu sein, damit ich die Messe zelebrieren kann.”
Wenngleich die vielen Stunden im Beichtstuhl eine hervorragende Vorbereitung auf die Feier der heiligen Geheimnisse waren, so verbrachte Johannes-Maria dennoch vor jeder hl. Messe zwanzig bis dreißig Minuten kniend mit gefalteten Händen auf den Fliesen des Chorraums, den Blick auf den Tabernakel gerichtet. Er sagte einmal – nicht nur in Bezug auf die Teilnahme an der hl. Messe: „Vor jeder Messe sollte man mindestens eine Viertelstunde innehalten, um gut vorbereitet zu sein.”
Seine lange Vorbereitung, die stets andächtige Danksagung, die erbauliche Art mit der er die hl. Messe zelebrierte gründeten in seinem tiefen Glauben an das Geheimnis des Altares. „Erst im Himmel wird man verstehen können, was für eine Freude es ist, die Messe zu zelebrieren.”
Wenn ihn einer der Gläubigen während der Danksagung unterbrach, so verließ er die Kirche, um zu antworten und kehrte dann mit den Worten „mein Freund, bitte entschuldigt mich, aber in der Kirche erwartet mich jemand” in die Kirche zurück.
Es stimmt zweifelsohne, dass die Priester den hl. Johannes-Maria bitten dürfen, ihnen dabei zu helfen, die hl. Messe besser zu verstehen und besser zu leben. „Die Ursache für die Nachlässigkeit der Priester ist die Unachtsamkeit der hl. Messe gegenüber. Ach, mein Gott! Wie sehr ein Priester zu beweinen ist, der sie wie eine gewöhnliche Sache behandelt!”
Sein Glaube an die Größe dieses Geheimnisses vermag zu erklären, warum der Heilige für die Zelebration immer nur das Schönste und Kostbarste wünschte. Auch für unsere modernen Zeiten ist dies eine schöne Lektion. „Für den Herrn ist nichts zu schön”, pflegte er gerne zu sagen. Seine Biographen halten fest, dass ihm kein Gewand zu schön erschien. Er hätte gerne einen Kelch aus massivem Gold gehabt, weil das schönste, was er besaß, ihm nicht würdig genug erschien, das kostbare Blut Christi aufzunehmen.
„Alle guten Werke zusammengefasst kommen nicht an den Wert des heiligen Messopfers heran, denn sie sind Menschenwerk, während die hl. Messe das Werk Gottes ist. Man kann auch das Martyrium nicht als Vergleich hernehmen, weil es das Opfer ist, das der Mensch Gott darbringt – die hl. Messe ist das Opfer, das Gott für die Menschen darbringt, das Opfer seines Leibes und Blutes.”

Man konnte bemerken, dass Johannes-Maria bei der Zelebration nicht langsam war. Allerdings konnte er während der Elevation bis zu fünf Minuten innehalten, die Augen auf die Hostie gerichtet, wie in Ekstase. All jenen, denen das Glück zuteil wurde, ihn bei der Zelebration der hl. Messe zu erleben, schien es so, dass er während der Zelebration tatsächlich den Herrn mit eigenen Augen sah, dass er ihn bei der Brechung der Hostie wirklich erkannte.
Er befolgte gewissenhaft die Rubriken des Messbuchs und Bischof Convert bemerkte, dass er nicht einmal wagte, mit seinen Händen Fliegen zu verscheuchen, die ihn bei der hl. Messe gelegentlich umflogen.
„Die Auffassung, die er vom heiligen Messopfer hatte, war der Grund für den Respekt, den er der heiligen Liturgie zollte; er beachtete die kleinsten Details mit größter Genauigkeit.”
Derselbe Autor schrieb: Niemals spendete er die heilige Kommunion ohne sich einer Patene zu bedienen, die er mit dem Ziborium hielt. Er tat dies, um eventuell herunterfallende Hostien oder Hostienfragmente auffangen zu können. Eines Tages vergoss er Tränen bei dem Gedanken an die zu Boden fallenden Fragmente: „Man tritt doch auf den lieben Gott! Oh! Wie traurig! Der bloße Gedanke daran schmerzt.” Ein Gedanke, über den es sich auch heute noch nachzudenken lohnt.
Seine Art zu zelebrieren, seine Frömmigkeit am Altar waren in sich schon eine Form der Predigt. Pater Monin rief einmal aus, dass „mehr als ein Sünder allein durch den Anblick des Pfarrers von Ars am Altar bekehrt wurde”.
Der selige Papst Johannes XXIII. schrieb aus Anlass des hundertjährigen Todestages des Heiligen die Enzyklika Sacerdotii nostri primordia, deren Worte diese Gedanken abschließen sollen: „Väterlich ermahnen und bitten Wir also Unsere geliebten Priester, sich regelmäßig darüber zu erforschen, wie sie das heilige Messopfer feiern, in welcher Gesinnung und seelischen Verfassung sie an den Altar treten und welche Gnaden sie dabei zu erlangen trachten. Mögen sie dazu angespornt werden durch die Zentenarfeier zu Ehren dieses vorbildlichen und bewunderungswürdigen Priesters, der ‚aus dem trostvollen Glück, die hl. Messe zu feiern‛ die freudige Bereitschaft zur Selbsthingabe schöpfte. Wir hegen das feste Vertrauen, dass seine Fürbitte ihnen Licht und Kraft in reichem Maß erwirken wird.” [3]

von P. Hubert Bizard FSSP
Subregens des Priesterseminars St. Petrus, Wigratzbad

Weiterführende Literatur: F. Trochu: Der heilige Pfarrer von Ars – Stein am Rhein, 2006


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[1] Schreiben von PAPST BENEDIKT XVI. zum Beginn des Priesterjahres anlässlich des 
150. Jahrestages des Dies natalis von Johannes Maria Vianney (16. Juni 2009)
[2] Ansprache von PAPST BENEDIKT XVI. - Pastoralbesuch in San Giovanni Rotondo: Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Jugendlichen in der Kirche des hl. Pater Pio von Pietrelcina (21. Juni 2009)
[3] Der Heilige Pfarrer von Ars, Vorbild der Priester - Enzyklika Sacerdotii nostri primordia – PAPST JOAHHNES XXIII. (1. August 1959)